Bildungskarenz: Eine gut gemeinte Idee mit problematischer Entwicklung
Die Idee hinter der Bildungskarenz war ursprünglich nachvollziehbar: Arbeitnehmer:innen sollten sich weiterbilden können, ohne ihren Job aufgeben zu müssen. Das AMS unterstützte sie in dieser Zeit finanziell – mit Weiterbildungsgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes.
Doch über die Jahre wurde das Instrument zunehmend zweckentfremdet. Eine detaillierte WIFO-Studie zeigt, dass die Bildungskarenz zunehmend von hochqualifizierten und gutverdienenden Personen genutzt wurde. Ökonom Martin Halla meinte dazu, es habe sich zu einer "Auszeit fürs Bildungsbürgertum" entwickelt. Es sind inzwischen überwiegend Akademiker:innen und Personen mit hohen Einkommen, die von dieser Förderung profitieren, während bildungsferne Gruppen kaum Zugang haben. Die ursprüngliche Zielsetzung der Maßnahme wurde somit zunehmend verfehlt.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache
Laut WIFO-Studie ist die Inanspruchnahme der Bildungskarenz seit 2009 stark gestiegen und die Gruppe der Bezieher:innen hat sich massiv verändert:
- Im Jahresdurchschnitt 2021 waren 13.727 Personen in Bildungskarenz - die Hälfte im Anschluss an die Elternkarenz.
- 73 % der Teilnehmer:innen waren weiblich, das Durchschnittsalter lag bei 32 Jahren.
- Mehr als die Hälfte aller Teilnehmer:innen hatten eine höhere Schulbildung oder ein abgeschlossenes Studium.
- Rund die Hälfte jener vorher unselbstständig Beschäftigten, die Bildungskarenz direkt nach Elternkarenz in Anspruch nahmen, verdienten zuvor mehr als 4.000 Euro brutto pro Monat.
Gleichzeitig zeigt die Studie, dass Bildungskarenz immer mehr als Exit-Szenario aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis genutzt wurde: Mehr als die Hälfte der Teilnehmer:innen war nach der Rückkehr nicht mehr beim ursprünglichen Arbeitgeber beschäftigt. In vielen Fällen wurde Bildungskarenz damit als Instrument zur beruflichen Neuorientierung genutzt – finanziert durch den Sozialstaat.
Reform statt Abschaffung? Warum es schnell gehen musste
Kritiker:innen beklagen, dass die Abschaffung der Bildungskarenz zu schnell und über Nacht kam. Doch die Wahrheit ist: Schon seit Jahren wurde auf die Fehlentwicklungen hingewiesen. Zahlreiche Reformversuche – insbesondere von den NEOS – wurden im Nationalrat abgelehnt oder vertagt.
Als die drohende Abschaffung im Raum stand, schnellten die Antragszahlen in die Höhe. Hätte man noch länger gewartet, wäre die budgetäre Belastung weiter explodiert – und das in Zeiten knapper Budgets und eines drohenden Defizitverfahrens.
Kein Kahlschlag, sondern Neuausrichtung
Die Abschaffung der Bildungskarenz bedeutet jedoch nicht, dass berufliche (Höher-) Qualifizierung in Zukunft nicht mehr gefördert wird. Bereits bestehende Maßnahmen wie das Fachkräftestipendium, das Selbsterhalterstipendium und das Studienabschlussstipendium bleiben erhalten – mit dem entscheidenden Unterschied, dass diese Maßnahmen gezielter und treffsicherer sind.
Bis Ende des Jahres soll zudem eine neue, reformierte Bildungskarenz präsentiert werden, in der die Fehler der Vergangenheit nicht fortgeführt werden:
- Strengere Anwesenheitsverpflichtungen und erhöhte Leistungsnachweise
- Eine klare Ausrichtung auf Geringqualifizierte
- Eine verpflichtende Beteiligung der Arbeitgeber und mögliche Behaltefristen im Unternehmen
Fazit: Eine überfällige Entscheidung
Die Abschaffung der bisherigen Bildungskarenz war eine notwendige Konsequenz aus jahrelanger Fehlentwicklung. Sie mag kurzfristig für Unmut sorgen, doch sie schafft Raum für ein besseres, faireres System, das wirklich jene unterstützt, die es brauchen.
Die Debatte zeigt einmal mehr: Sozialpolitische Maßnahmen müssen laufend evaluiert und angepasst werden. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass sie ihren eigentlichen Zweck erfüllen – und nicht zu einer teuren, ineffektiven Parallelförderung für bestimmte Gruppen werden. Das ist gerade angesichts der angespannten Budgetsituation und einer rekordverdächtigen Steuerbelastung dringend erforderlich.
Weiterführende Links:
NEOS Anträge zum Thema Bildungskarenz: